Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Страница 85

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In seinem Blickfeld erschien ein weißgekleidetes Bein, und er hörte Allday erstickt keuchen:»Weg von ihm!«Dann klirrte Stahl.»Weg, sag' ich!«Weiteres Klirren, und Bolitho begriff, daß Allday Tuke zurücktrieb. Allday führte sein Entermesser wie einen Beidhänder, etwas, das Bolitho nie zuvor gesehen hatte. Er wollte ihn zurückrufen, seinen wütenden Angriff aufhalten, ehe er niedergestochen wurde. Allday war fast von Sinnen vor Wut und Gram, blind und taub gegenüber einer Schulterverletzung und allem anderen außer dem Hünen, den er vor sich hatte. Zwischen den Schlägen keuchte er:»Du verfluchter, räudiger, feiger Schuft!«Er sah, daß Tuke zum erstenmal Furcht verriet, und schmetterte das schwere Entermesser mit aller Kraft gegen Tukes Degen, worauf dieser die Balance verlor und stürzte. Alldays Schatten fiel über Tukes Kopf und Hals, während er aufschluchzte:»Ich wünschte bei Gott, es ginge bei dir nicht so schnell!«Das Entermesser hieb einmal, dann ein zweites Mal zu.

Als Herrick und andere hinzustürzten, um ihn zurückzureißen, schleuderte Allday sein Entermesser über die Netze und eilte zu Bolitho.

Bolitho packte seinen Arm, wollte ihn vor allem beruhigen. Aber er zitterte heftig und konnte kaum flüstern. Allday sagte eindringlich:»Sie werden wieder gesund, Captain. «Trostsuchend sah er zu Herrick auf.»Nicht wahr,

Sir?»

Herrick erwiderte:»Helfen Sie ihm auf. Wir müssen ihn auf die Tempest bringen. «Er sah Keen auf sich zukommen.»Übernehmen Sie hier das Kommando. «Von Herrick und Allday halb getragen, kehrte Bolitho auf sein Schiff zurück.

Der Jubel war verstummt, und während seine Leute auseinandertraten, um Bolitho durchzulassen, sahen sie ihn aus erschöpften Augen fragend an.

Bolitho erkannte den zerschlagenen Niedergang und wußte, daß er die Tempest irgendwie erreicht hatte. Aber die Kajüte, wo er seine letzte große Schwäche vor den Leuten verbergen konnte, schien noch meilenweit entfernt.

Er hörte sich murmeln:»Kümmern Sie sich um die Leute,

Thomas. Anschließend werden wir…»

Herrick sah ihn verzweifelt an, während der Schiffsarzt, die große Schürze blutgetränkt, auf sie zugeeilt kam.

«Anschließend, Sir, fahren wir nach Hause.»

Gwyther sah zu, wie Allday den Kapitän auf seine Koje sinken ließ.»Er hört Sie nicht, Mr. Herrick. «Er kniete nieder und löste Bolithos Halsbinde.

Allday sah Herrick an.»Gehen Sie, Sir. Das ist auch in seinem Sinne. Sie haben jetzt die Verantwortung. Ich sage

Ihnen Bescheid, wenn es dem Captain besser geht.»

Das sagte er so eindringlich, daß Herrick nur entgegnen konnte:»Darauf verlasse ich mich.»

Oben setzte schließlich doch der Jubel ein, als die beiden treibenden Schiffe unter Kontrolle gebracht worden waren und Männer, die schon mit dem Tod gerechnet hatten, sich darüber klar wurden, daß sie einen Sieg errungen hatten.

Doch Herrick, der in dem Rechteck von Sonnenlicht unter dem Niedergang stehenblieb, konnte diesen Jubel nicht teilen und empfand nur Trauer und Fassungslosigkeit.

Gwyther sagte:»Da kann ich wenig tun.»

Er wurde gleichzeitig an einem Dutzend anderer Orte benötigt und hatte bereits mehr Männer operiert, als er in so kurzer Zeit für möglich gehalten hätte. Dennoch konnte er sich nicht von der Stelle rühren, sondern wurde durch

Alldays schlichten Glauben festgehalten.

Leise fügte er hinzu:»Wir können nur warten und hoffen.

Kein anderer Mann in seinem Zustand hätte das tun sollen,

was er heute getan hat.»

Allday sah ihn an und erwiderte fest:»Er ist eben kein Mann wie andere. «Er nickte.»Ich bleibe bei ihm. «Schweigend drehte Gwyther sich um und ging wieder ins Orlopdeck hinunter. Der Schiffsarzt hatte unter Bolitho einige Jahre gedient, ihn aber nie richtig kennengelernt. Doch jetzt wußte er, daß er ihn zeit seines Lebens nicht vergessen würde.

Epilog

An einem hellen Sommertag des Jahres 1791, fast achtzehn Monate, seitdem er mehr tot als lebendig von der eroberten Narval auf sein Schiff zurückgetragen worden war, wußte Kapitän Richard Bolitho, daß er den schwersten Kampf gewonnen hatte.

Nur jene, die ihn bei seinem täglichen Ringen mit dem Fieber bewacht hatten, kannten die ganze Geschichte. Ihm selbst erschien es wie ein einziger Wachtraum. Er erinnerte sich nur schwach an die Rückfahrt nach Neusüdwales und seinen Aufenthalt im Hause des Gouverneurs. Oder an seinen Abschied von Herrick und den anderen, die ihn vor dem Auslaufen der Tempest nach England besucht hatten. Langsamer und weniger anstrengend hatte Bolitho mit Allday an seiner Seite die Reise auf einem Indienfahrer zurückgelegt. Manche Erinnerungen waren verschwommen und qualvoll. Wie die an seine verheiratete Schwester Nancy, die ihn in dem alten Haus unterhalb von Pedennis Castle empfing, tapfer ihren Schreck über seine ausgemergelte Erscheinung verbergend und über seine Unfähigkeit, mehr als nur wenige Worte mit ihr zu wechseln. An Mrs. Ferguson, seine Haushälterin, mit rotgeränderten Augen und zwischen Weinkrämpfen geschäftig um ihn besorgt. An Ferguson, seinen einarmigen Hausmeister, der Allday half, Bolitho in dem großen Bett unterzubringen: dem Bett, von dem aus man im Sitzen die blaue Linie der Kimm und eine Ecke der Festung auf dem Vorland sehen konnte. Allerdings hatte niemand geglaubt, daß er das Bett jemals wieder verlassen würde. Das heißt, niemand außer Allday. Doch als die Monate verstrichen, Tage und Wochen der Leere und Übelkeit sich aneinanderreihten, erkannte er, daß er allmählich neue Kräfte gewann. Er war in der Lage, nach Menschen zu fragen, nach Ereignissen außerhalb seines Schlafzimmers.

Bei den ersten Anzeichen für besseres Wetter machte er kurze Spaziergänge, wobei er sich meistens auf Allday stützte.

Und er hatte einen Besucher. Kapitän William Tremayne von der Brigg Pigeon kam bereits eine Stunde, nachdem er in den Carrick Roads Anker geworfen hatte, ins Haus. Da war es, als wären die Monate dazwischen nie gewesen. Bolitho saß in einem hochlehnigen Sessel beim Fenster, Tremayne mit einem Becher Wein in seiner großen Faust daneben.

Die Pigeon war mit Depeschen gekommen, und Tremayne hatte es alles in Erinnerung gerufen: die Inseln, die nickenden Palmen und die lachenden Mädchen. Anscheinend war Hardacre von der Regierung die ständige Aufsicht über die Levu-Inseln übertragen worden. In diesem Punkt hatte man kaum eine Wahl gehabt, denn Raymond war tot aufgefunden worden, dem Anschein nach durch eigene Hand gestorben.

Doch die überraschendste Nachricht betraf Yves Genin. Er war mit den übrigen gefangen worden, als die Tempest ihren blutigen Kampf gegen die Narval gewann. Die Fregatte war zwar einem Prisengericht übergeben worden, Genin aber hatte man erlaubt, nach Frankreich zurückzukehren, mehr weil man ihn als Belastung empfand, denn als Beweis guten Willens gegenüber der neuen Regierung. Genin, der so vieles getan hatte, um der Revolution den Weg zu ebnen, wurde dafür mit einem schnellen Ende auf der Guillotine entlohnt. Die neue Regierung war der Ansicht, daß ein Mann, der einen großen Aufstand planen konnte, es auch ein zweites Mal tun mochte.

An diesem Tag nun stand Bolitho am offenen Fenster und bewunderte die verschiedenen Grüntöne und wogenden Felder, die sich zur See hinab erstreckten. Er dachte viel an die Tempest und fragte sich, wo sie sein mochte. Wie er gehört hatte, war sie in Plymouth neu ausgerüstet und mit einer neuen Besatzung wieder in Dienst gestellt worden. Sein einziger Wunsch war, daß er hätte auf dem Schiff sein können, als die Besatzung abmusterte. Ein paar der alten Leute blieben an Bord, und ihr neuer Kapitän sollte dankbar sein, daß er sie hatte: Lakey, den schweigsamen Steuermann, Toby, den Zimmermann, Jury, den Oberbootsmann und noch ein paar andere. Die übrigen waren, den Bedürfnissen der wachsenden Flotte entsprechend, auf Schiffe verteilt worden, die dringend benötigt wurden, wenn der Sturm aus den über dem Kanal dräuenden Wolken der Politik endlich losbrach. Selbst der kleine Romney hatte ein neues Schiff gefunden, und Bolitho wünschte ihm diesmal mehr Glück. Keen, Swift und so viele, die er gekannt hatte, sie alle standen vor einem neuen Beginn.

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